Fachtag 2020 – Erwachsene

Am Freitag den 24.7.2020 fand der zehnte Fachtag Werdenfelser Weg diesmals als Online-Veranstaltung statt zum Thema:

 

Werdenfelser Weg und Corona

Würde und Respekt in der Altenpflege – Pandemie und Freiheitsentziehung
Mit Ideen von Praktikern aus der Praxis für die Praxis – Best Practice –

 

Etwa 250 Teilnehmer hatten sich an diesem Tag an unserer digitalen Veranstaltung als Zuhörer und Mitdiskutierende beteiligt, die Referenten waren überwiegend angereist in die Räumlichkeiten der katholischen Stiftungshochschule in München, von wo aus die digitale Veranstaltung übertragen wurde.

Foto: Jo Jonietz GaPa TV

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2020 brachte eine tiefe Zäsur, gerade in der Pflege älterer hilfsbedürftiger Menschen unter Beachtung deren Freiheitsrechte. Nicht für möglich gehaltene Einschränkungen brachte die CoVid 19- Pandemie und warf alte Fragen neu auf:

• Sind wir achtsam genug für Gewalt und Zwang in der Altenpflege?
• Auswirkungen für die Pflegenden
• Wie können die Betreuungsbehörden das System stärken?
• Rechtliche Fragen zur Fixierung zum Infektionsschutz
• Angebunden und isoliert im Sterbeprozess?
• Wie umgehen mit Gefahren einer Infektion für Demente?

 

Begrüßung
Prof. Dr. Daniel Flemming, KSH München

Zunächst sprach der Professor Dr. Flemming ein erläutern das Grußwort im Namen der Stiftungshochschule, gab ein paar technische Hinweise und verwies auf die mittlerweile langjährige Zusammenarbeit mit den Initiatoren des Werdenfelser Wegs und die besondere Herausforderung einer derartigen Veranstaltung für alle Beteiligten.

 

 

 

 

Begrüßung und Erlebnisbericht eines Betroffenen
Josef Wassermann, Dr.Sebastian Kirsch

Foto: Jo Jonietz GaPa TV

 

 

Die Begrüßung wurde bereichert durch einen Bericht über sein eigenes Erleben von Herrn Rechtsanwalt und Berufsbetreuer Jost Schlegtendal, Murnau, der nach hartnäckigen Erkältungssymptomen im März 2020 sich plötzlich mit der Diagnose CoVid 19 konfrontiert sah und dann mit sehr schweren Verlauf im Unfallkrankenhaus Murnau zwölf Tagen in einem Zustand verbrachte, aus dem er uns seine Wahnvorstellungen und seine völlige Abhängigkeit vom medizinischen und pflegerischen Personal mitteilen konnte.

Foto: Jo Jonietz GaPa TV

Er warnte davor, gerade auch weil er sich nicht als Risikopatient einordnete, die Erkrankung auf die leichte Schulter zu nehmen oder mit einem in jedem Fall berechenbaren Verlauf zu rechnen.

Er bedankte sich bei Ärzten und Pflegern, die sich in aufopferungsvoller und fürsorglicher Weise seinem persönlichen Wohlergehen in dieser hilflosen Zeit annahmen und berichtete, mit welchen Einschränkungener nach Entlassung noch zu kämpfen hat.

Durch ihn bekam die Erkrankung in gewisser Weise für die Tagung ein Gesicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

Grußwort eines Verfassungsrechtlers
Peter Küspert; Präsident des Bayerischen  Verfassungsgerichtshofs

Das Grußwort des Präsidenten des bayerischen Verfassungsgerichtshofs wurde digital eingespielt. Herr Präsident Küspert brachte zum einen seine persönliche Verbundenheit mit dem Werdenfelser Land zum Ausdruck, wo er seine ersten juristischen Schritte als damaliger Amtsrichter beim Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen gemacht hatte zu Beginn seiner langen und erfolgreichen Karriere.

Er bedankte sich bei allen Mitwirkenden aller Professionen für ihr Engagement für die Sache der Freiheit anderer Menschen und betonte den nachhaltigen Einsatz über viele Jahre als besonders bedeutsam.

Er schilderte aus der Sicht eines Verfassungsrechtlers die hohe Bedeutung der individuellen Fortbewegungsfreiheit nach unserem Verfassungsrecht und arbeitete heraus, dass das besondere Engagement für dieses Thema in einer Krisensituation wieder Pandemie mit ihren Auswirkungen gerade auf altenund gebrechliche Menschen von besonderem Wert für unsere Gesellschaft sei.

 

 

Gewalt und Zwang in der Altenpflege
Pandemie und Alltag
Rolf D. Hirsch; Prof. Dr. phil., Dr. med.,Dipl. – Psych., Facharzt für Nervenheilkunde – Geriatrie, Bonn

Professor Hirsch zeigte in seinem Vortrag auf, dass die Gewalt gegen Heimbewohner viele Gesichter haben kann und nicht erst dann beginnt, wenn die Hand erhoben wird, sondern bereits in Gesten und Worten ihren Anfang findet. Was schon außerhalb der Pandemie belastend für Bewohner unter den Zwängen eines Heimaufenthaltes empfunden wird habe sich in der Pandemie noch durch viele Faktoren verschärft. Er schilderte aber auch den Druck, dem die Mitarbeiter in den Einrichtungen während der Pandemie Belastungen in gesteigerter Weise ausgesetzt waren und arbeitete so heraus, dass die vergangenen Wochen und Monate zu einem Brennglas seiner Thematik geworden waren.

 

 

 

Auswirkungen des Werdenfelser Wegs auf die pflegenden Personen
Exkurs: CoVid19
Dr. Andre Brasseler, Oberarzt des Gerontopsychiatrischen Zentrums am BKH Kaufbeuren

Dr. Brasseler stellte seine wissenschaftlichen arbeiten zu den Auswirkungen des Werdenfelser Wegs vor. Er setzte seinen Schwerpunkt dabei auf die Auswirkungen auf die Mitarbeiter in den Einrichtungen, die nach seinen Erhebungen grundsätzlich positiv empfunden wurden.

Er arbeitete aber auch insbesondere am Beispiel der besonderen Situationen der Pandemie den Spagat im Alltag heraus, dass neben den entlastenden Aspekten auch stresserhöhende Faktoren wahrgenommen werden.

Er äußerte die Vermutung, dass darin kein Widerspruch zu sehen sei, sondern stellte die Hypothese auf, dass möglicherweise dieselbe Personen, kenne grundsätzlich entlastende Wirkung aus der Umsetzung des Werdenfelser Wegs in ihrer täglichen Arbeit ziehen, gerade dann, wenn es zur Gratwanderung im Einzelfall führt, auch erhöhten Stress wahrnehmen.

 

 

 

 

 

 

 

Die Sachverhaltsaufklärung in Corona-Zeiten
Josef Wassermann

Josef Wassermann befasste sich mit den Aufgaben der Betreuungsbehörden insbesondere im Zusammenhang und legte die besonderen Schwierigkeiten dar, die diese in Pandemiezeiten darstellen. Er zog daraus die Konsequenz, alle Kollegen zu appellieren, ihre Aufgabe im Zusammenhang mit Fragen der Sachaufklärung ganz besonders ernst zu nehmen und sich der Bedeutung dieser Mitwirkungshandlung für ein sachlich gutes und den rechten des Betroffenen entsprechenden Ergebnisses bewusst zu sein. Er rief seine Kollegen auf, sich zum Anspruch zu machen, die Rechte des Betroffenen im Verfahren sachgerecht zu vertreten.

 

 

Fixierung und Infektionsschutz
Dr. Sebastian Kirsch

Dr. Kirsch befasste sich mit einer Spezialfrage der Freiheitsentziehung in der Pandemie zur zwangsweisen Durchsetzung ansonsten nicht eingehaltener Quarantänemaßnahmen innerhalb von Pflegeeinrichtungen. Anhand eines Beispiels einer Quarantäne Anordnung gegen eine mobile Pflegeheimbewohnerin, die aufgrund ihrer Demenz nicht in der Lage war, sich an Hygienebestimmungen und Ausgangsbeschränkungen zu halten, wurden die rechtlichen Grenzen der aktuellen Gesetzeslage aufgezeigt.

Foto: Jo Jonietz GaPa TV

Es wurde dargelegt, dass das Gesundheitsamt  in der Verpflichtung ist, die entsprechenden Schutzmaßnahmen einzufordern und umzusetzen. Zu diesem Zweck bestehen  Verpflichtungen, die sich an die Einrichtung und Betreuer wenden, für die Umsetzung von Quarantäne-Anordnung in geeigneter Weise zu sorgen.

Daraus aber, dass in Einzelfällen den vergangenen Monaten passierte, abzuleiten, dass letztendlich dann auch ein Zimmer Einschluss in letzter Konsequenz für die Quarantänedauer legitimiert sein könnte, ist jedoch falsch.

Es wurde herausgearbeitet, dass ein derartiger Zimmereinschluss nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben einer eigenen gesetzlichen Grundlage bedürfte, die Desinfektion Schutzrecht nicht hergibt. Und zudem der Richtervorbehalt eingehalten werden müsste, der auf eine derartige konkrete Fallgestaltung bezogen, im Infektionsschutzrecht auch nicht vorgesehen ist.

Es wurde den Zuhörern die Rechtsmeinung viele Richterkollegen erläutert, dass auch ein Ausweichen auf die Rechtsnormen des PsychKHG einerseits, auf betreuungsrechtliche Freiheitsentziehungsregeln andererseits rechtlich unzulässig wäre.

Dr. Kirsch kam zur rechtlichen Konsequenz, dass für derartige Fallgestaltungen aktuell keine rechtliche Grundlage besteht und deswegen de lege lata eine Gestattung für Zimmereinschluss in Altenheimen in Pandemiesituationen zur Vermeidung von Infektionen nicht gestattungsfähig ist.

 

 

 

 

 

Isolierung durch Sedierung
Gerhard Stadler; BBA, Bezirkskliniken Schwaben, Allgäuer Akademie am BKH Kaufbeuren
Dr. Sebastian Kirsch

Nachdem zunächst Dr.Kirsch von Einzelfällen aus der Praxis berichtete, in denen ihn in den letzten Monaten die Diskussion von Einrichtungen und Gesundheitsämtern mitgeteilt worden war, zur Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen als Ultima Ratio auf eine Zeitreise medikamentöse Sedierung zurückzugreifen, nutzte Herr Stadler dann seine Redezeit, um umfassend über die Frage von medikamentöser Sedierung und ihre Gefahren und Auswirkungen zu beschreiben.

Er stellte die verschiedenen Medikamentengruppen, die dabei auftretenden Risikolagen und die allgemeinen Auswirkungen dar, ohne dass er den Einsatz grundsätzlich verteufelte.
Er forderte die Teilnehmer auf, gewissenhafter mit dem Einsatz von sedierenden Medikamenten umzugehen und warb dafür, die Erfolge, die in einigen Projekten gezielt für die Heimbewohner erreicht werden konnten aufzugreifen, um die Lebensqualität für Betroffene dauerhaft zu verbessern.

 

 

 

 

 

 

 

Freiheitsentziehung in der Sterbephase bzw. im Hospizbereich
Zwangssituationen in der Pandemie
Nadine Lexa, Verfahrenspflegerin am Betreuungsgericht Würzburg

Der Vortrag musste aus technischen Gründen entfallen, da sich die Übertragungsqualität als unzureichend dargestellt hatte. Er wird in Kürze auch an dieser Stelle in geeigneter Weise zur Verfügung gestellt.

 

 

 

Respekt. Von der Vision einer „gefahrlosen Gesellschaft“ für demenzerkrankte Frauen und Männer
Und wie soll das mit Corona-Beschränkungen (noch) gehen?

Sabine Tschainer; Dipl. Theologin, Dipl. Psychogerontologin, Inhaberin und Geschäftsführerin des Instituts „aufschwungalt“ München

Frau Tschainer stellte heraus, wie sehr die aktuelle Pandemie Lage und sie ein Gewissenskonflikt bringt zwischen Schutz und Einschränkung von Heimbewohnern. Was schon unter normalen Bedingungen außerhalb der Pandemie sich als immer wieder zu bearbeitende Thematik darstellt, wurde unter den zusätzlichen Anforderungen der Pandemie in der Fragwürdigkeit der Ansätze weiter verschärft.

Sie stellte die Frage nach einer Gesellschaft, in die der einzelne Vertrauen haben kann, in der er darauf vertrauen kann, nicht angegriffen oder in seinen Rechten verletzt zu werden. Für viele Bewohner von Einrichtungen wird die Gesellschaft vor allem repräsentiert von den Mitarbeitern von Einrichtungen.
Sie arbeitete heraus, dass auch die Belastungen Zumutungen für die Mitarbeiter von Einrichtungen in unserer Gesellschaft enorm sind und der Pflegeberuf zu den Berufen mit den größten Herausforderungen zähle. Umso wichtiger sei es, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, den Bewohnern von Einrichtungen mit Respekt und Vertrauen gegenüber zu treten.

Gebietet der Respekt vor den Freiheitsrechten von Heimbewohnern nicht, dass eine Lösung, die sich an einer Gefahrenminimierung orientiert fraglich werden muss, wenn sie zu einem faktisch vollständigen Verlust von Rechten über Monate führt?

Müssen wir auch für Zeiten außerhalb der Pandemie unseren Denkansatz nochmal überarbeiten?

 

 

 

 

 

Zusammenfassung und Verabschiedung
Josef Wassermann, Dr. Sebastian Kirsch

 

 

 

Foto: Jo Jonietz GaPa TV

 

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Und ganz zum Schluss der Dank an zwei ganz besondere Menschen, ohne deren Nerven, herausragende Arbeit in der Vorbereitung und erst recht an diesem Tag das Ganze nicht möglich gewesen wäre:

Karin Rothmund
Foto: Jo Jonietz GaPa T

 

Jo Jonietz
Foto: Jo Jonietz GaPa TV

 

 

 

 

 

 

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