Altersgerechte Freiheitsentziehung

Bei der neu eingeführten Vorschrift des § 1631 b Abs. 2 BGB sind nur solche freiheitsziehenden Maßnahmen in Einrichtungen familiengerichtlich genehmigungspflichtig, wenn die Freiheit in nicht altersgerechter Weise entzogen wird.

Da im privaten Umfeld des Elternhauses eine staatliche Genehmigungspflicht nicht vorgesehn ist, hat der Gesetzgeber zumindest für solche Freiheitsentziehungen, die zuhause „normal“ sind, auch von einer Genehmigungspflicht abgesehen.

Adäquate und übliche Maßnahmen der Erziehung oder zum Schutz eines kleinen Kindes sollen vom Anwendungsbereich der Vorschrift nicht umfasst sein, auch wenn sie dann in einer Einrichtung und eben nicht nur im Elternhaus stattfinden.

Aber was ist adäquat und üblich, und wo sind die jeweiligen Altersgrenzen?

Wir haben das Thema  zur Unterstützung der Familienrichter und der Fachleute im Familienrecht mal empirisch angepackt

Nachfolgend sehen Sie ein nach Schlagworten sortierte Diskussionsinhalte der  Schwarmintelligenz des E-Mail Verteilers des Werdenfelser Wegs, um in dieser Frage konkretere Hilfestellungen zu geben.

 

Zimmereinschluß

Ergebnis:  Ein über einen  längeren Zeitraum oder regelmäßiger Zimmereinschluss  in einem Krankenhaus, einer Schule,  einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung  bedarf bei Kindern jedes Alters immer der Genehmigung des Familiengerichts.

Darunter fällt nicht, dass man einem Kind sagt, es soll auf sein Zimmer gehen und drin bleiben, sich nach einem Konflikt wieder zu beruhigen u.dgl. ohne physischen Zwang in Form verschlossener Türen, sondern nur Fälle  für das Kind nicht zu öffnende Tür.

Die ganz überwiegende Meinung in der Diskussion  geht davon aus, dass Zimmereinschluss mit abgesperrter Zimmertüre nie als altersgerechte Freiheitsentziehung anzusehen ist. Abgeschlossene Zimmertüre und damit Einsperren sei ein absolutes No-go.

Kinder würden schrecklich darunter leiden eingesperrt zu sein. Vor allem kleine Kinder denken dann, sie kommen nie wieder heraus. Einsperren sei deswegen  nie altersgerecht,  adäquat oder üblich.

Schließt ein Elternteil /Erwachsener, ein Kind in einem Zimmer ein, so weiss der Erwachsene nicht, wie zerstörerisch ein Kind zu sich selbst sein kann – Selbstgefährdung.

Es kann sich sozusagen „wegschreien“, es kommt zur Luftnot für Sekunden. Es kann sich an Spielzeug, Gegenständen und Mobiliar verletzen, und keiner bekommt es mit.

 

Abriegeln von Stationen, Grundstücken und Gärten, damit  Kinder nicht hinauslaufen, auf die Straße laufen, sich verirren und so weiter.

Ergebnis:  Ein regelmäßiges Einsperren in Grundstücken oder Abteilungen  in einem Krankenhaus, einer Schule,  einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung  bedarf bei Kindern ab 6 Jahren immer der Genehmigung des Familiengerichts.

Ergebnis der Umfrage: die meisten Diskussionsteilnehmer gehen davon aus, dass   bis zum Schulalter in Privathaushalten durchaus die Möglichkeit angenommen werden muss, Kinder daran zu hindern, unbemerkt Haus und Hof zu verlassen. Für normal entwickelte Kinder wird also eine Einschränkung der Freiheit auf den Raum im Haus und im Garten für maximal bis Beendigung des 5. Lebensjahrs für adäquat.

Ein durchschnittlich ausgestattetes Kind sollte einerseits mit 4 Jahren wissen, dass es nicht ohne Nachricht an die Aufsichtspersonen außerhalb des Geländes umherläuft.

Allerdings sei es nicht ganz ungewöhnlich, wenn ein Kind unter 6 Jahren im Rahmen eines Wutausbruchs noch nicht die emotionale Reife hat, in der es ohne Schutz frei umherlaufen könnte. Beispiel: Streitigkeit in häuslicher Umgebung oder im Garten, ein Kind hat bei Frustration seiner Herzenswünsche einen  Wutanfall, da könnte es passieren, dass ein solches Kind die Situation nicht aushält und versucht, das Grundstück zu verlassen. Festhalten, Verschließen der Gartentür oder Verschließen der Haustür wäre noch altersadäquat.

Auch wenn Kinder im Rudel auftreten, bis zum 6. Lebensjahr kann sich bei altersgemäß entwickelten Kindern eine Dynamik ergeben, die es gebietet, die Tür abzuschließen, damit nicht aus eigener Erregung oder infizierter Unvernunft Dummheit angestellt wird. Z.B. auf der Straße.

Spätestens zum Zeitpunkt der Einschulung sollten Kinder auch ohne Begleitung sicher im Straßenverkehr sein und hier den Schritt in die Selbständigkeit ihrer Entwicklung entsprechend unternehmen konnten.

Großstädtische Kinder, so wird teilweise darauf hingewiesen,  erreichen unter Umständen – weil mehr Verkehr, Chaos, Stau und Abgase gewöhnt – früher die Verkehrssicherheit als wie ländliche.

 

Gitterbett

Ergebnis:  Ein über einen  längeren Zeitraum oder regelmäßiger Aufenthalt in einem Gitterbett, aus dem das Kind selbständig nicht heraus kann,  bedarf  in einem Krankenhaus,  einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung  bei Kindern ab drei Jahren  immer der Genehmigung des Familiengerichts.

Das Gitterbett wurde von der großen Mehrheit im privaten Umfeld als altersgerecht angemessen  im biologischen Alter  von 0  bis 2 Jahren, bei anderen Beiträgen bis 2,5 oder 3 Jahren.

Das zweite Lebensjahr wurde häufig genannt, da ab diesem Alter ein altersgerecht entwickeltes Kind frei und sicher umherlaufen könne.

Viele Beiträge wiesen daraufhin, dass es zum  Schutz der Kinder nur während des Schlafens und einen kurzen Zeitraum nach dem Aufwachen, bis die Eltern/Betreuer das Kind hören und herausholen können, adäquat sei.

Als adäquat wird dann auch überwiegend nur zeitlich überschaubare Anwendung angesehen, die dem Zwecke der Sicherheit des Kindes (z. B. der Vater/die Mutter nebenbei bügelt oder den Ofen anschürt oder Holz zum Schüren holt) und nicht vorrangig dem Zweck, dass die Eltern ihre Ruhe haben wollen.  Grundsätzlich sei es sinnvoll, „in Hörweite“ zu bleiben.

Wenn teilweise schon im Alter von unter 2 Jahren ein oder 2 der Gitterstäbe entfernt werden, sobald das Kind Versuche macht, hinauszuklettern, um ein „Entweichen“ ohne Sturzgefahr zu ermöglichen, dann entfällt sowieso der Charakter als  feM.

 

Käfigbett („Käsebett“)

Ergebnis:  Ein regelmäßiger Einsatz eines Käfigbettes  in einem Krankenhaus, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung  bedarf  bei Kindern jedes Alters immer der Genehmigung des Familiengerichts.

Das Meinungsbild dazu ist sehr eindeutig: Käfigbetten sind in privaten Haushalten unüblich und zwar ohne Ausnahme und unabhängig vom Alter. Ein Käfigbett befindet sich auch nicht standardmäßig im Verkauf der Kindermöbelhäuser. Das mache sofort deutlich, dass es sich um eine Maßnahme handelt, durch die die Freiheit in nicht altersgerechter Art und Weise entzogen wird.Im elterlichen Kontext wird es als  no go empfunden.

Von den meisten Eltern wird ein normales Gitterbettchen verwendet worden sein.

 

 

Gurt oder Vorstecktisch im Hochstuhl

Ergebnis:  Ein über einen  längeren Zeitraum oder regelmäßiger Gurt oder Vorstecktisch  im Hochstuhl  in einem Krankenhaus, einer Schule,  einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung  bedarf  nach überwiegender Meinung bei Kindern jedes Alters immer der Genehmigung des Familiengerichts, nach einer Mindermeinung aber mindestens immer ab dem dritten Lebensjahr.

Das Meinungsbild ist sehr ambivalent. Mehr als die Hälfte der Äußerungen sah dies in keinem Lebensalter als adäquate und übliche Maßnahme. Diese Stimmen betonten die Beaufsichtigung als adäquates Mittel, zumal Kinder mit ihrer Quirligkeit solch eine „Sicherungsmaßnahme“ schnell zu einer „Gefährdungsmaßnahme“ umwandeln können.  Ein Kind werde in den Hochstuhl gesetzt, um gemeinsam mit am Tisch sitzen zu können, das heißt es sei  immer jemand mit dabei, sollte das Kind versuchen rauszuklettern.

Eine Minderheit schätzte gesunde Kinder im Alter zwischen 2 und 3 Jahren in der Lage ein, abzuschätzen, ob sie selbst ohne Gefahr eines Sturzes den Weg zum Boden schaffen, wenn sie nicht mehr im Hochstuhl sitzen dürfen. Manche Hochstühle hätten extra dafür eine Trittfläche zwischen Sitzfläche und Boden – eine geeignete Alternative zum Vorstecktisch und zum Gurt. Es wird von Kindern berichtet, die noch mit etwas über 3 Jahren nicht in der Lage waren, abzuschätzen, wie man an einer Tischdecke oder an einem Tisch manipulieren darf, ohne darauf befindliche Gegenstände umzuwerfen. Nach diesen Stimmen wäre bei einem Lebensalter von mehr als 3 Jahren es unüblich, Kinder mit Gurten an den Stuhl zu fesseln, um sie von einer Selbstgefährdung abzuhalten.

 

Wickeltische mit Seitenbegrenzungen bzw. Gurten

Ergebnis:  Ein regelmäßiger Aufenthalt auf einem Wickeltisch mit Seitenbegrenzungen oder mit Gurten,  bedarf  in einem Krankenhaus,  einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung  bei Kindern ab spätestens fünf  Jahren  immer der Genehmigung des Familiengerichts.

Beide Vorrichtungen werden im privaten Kontext  als  adäquat angesehen.  Es schützt von Stürzen aus  einer Sturzhöhe von bis zu ca. 120 cm, was doch zu erheblichen Verletzungen bei einem Säugling oder Kleinkind führen kann.
Wickeln tut man ein normales Kind ca. bis zum 2. Lebensjahr, für die Nacht bis zum 3. und Spätzünder bis zum 4.. Bis zum Ablauf des normalen Wickelalters wird eine Begrenzung des Tisches und sogar ein Angurten  als adäquat und üblich angesehen, wenn  der Wickelvorgang nur kurz dauert.

 

Sturzsicherungsgitter an Treppenabgang

Ergebnis:  Ein dauerhaft angebrachtes  Sturzsicherungsgitter an einem Treppenabgang von einem oberen Stockwerk,  bedarf  in einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung  bei Kindern ab drei Jahren  immer der Genehmigung des Familiengerichts.

Zunächst kommt als feM überhaupt nur in Betracht, wenn das Treppengitter zugleich den Weg nach draußen versperrt. also aus einem der oberen Stockwerke nach unten, aber nicht ein Gitter, das beispielsweise nur eine Kellertreppe sichert.

Sturzsicherungsgitter am Treppenabgang werden als angemessene und übliche Maßnahme angesehen bis selbständiges Treppensteigen ohne Sturzgefahr möglich ist. Vor allem nachts hat es gute Dienste geleistet, wenn das Kind beschloss, auf Entdeckungstour zu gehen – während  Eltern den wohlverdienten Schlaf geniessen

Treppenschächte bieten Kindern  bis ca 2, 5 Jahren, nach anderen Meinungen zum vollendeten 3. Lebensjahr erhebliche Sturzgefahren. Das Abschätzen von Entfernung und Tiefe in Abmessung zu eigenen Gangsicherheit gelingt ab da regelmäßig gut. Ab diesem Alter  könne die meisten Kinder sicher die Treppen gehen. Und zwar vorwärts, rückwärts, seitswärts, auf allen Vieren, hüpfend auf einem Bein etc..

Als nicht adäquat und üblich wird es angesehen, wenn  bei normalen Treppenschächten  Eltern ihre Kindern auch nach dem 3. Geburtstag den Schacht mit einem Gitter sichern.

Auf zwei Aspekte wird gesondert hingewiesen: es gibt Kinder, die bereits mit zehn oder elf Monaten geschickt über das Gitter kraxeln können, bzw, den Mechanismus öffnen können. Und wierderholt wurde auf die Verletzungsgefahr durch steckengebliebene Kinderköpfe zwischen den Gittern hingewiesen.

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